Die Derrick-Einsätze von Helga Anders
Helga Anders
Diese „Kult"serie erwies sich als wunderbarer Nähboden für die schauspielerischen Qualitäten von Helga Anders. Ihr erster Auftritt (1974) folgte in „Johanna", der zweiten Folge von „Derrick". Sie spielt in diesem Krimi ein junges Mädchen, das ihren Geliebten, dargestellt von Helmut Lohner, dazu anstiftet, einen Mord an seiner um fünfzehn Jahre älteren Frau Martha zu begehen. Lilli Palmer verkörpert gleich zwei Rollen: Zum Einen jene der Martha, die dem Mord ihres Ehemannes zum Opfer fällt, zum Anderen jene der titelgebenden Johanna, welche die Zwillingsschwester von Martha ist, und sich in der Wohnung von Alfred Balke (Helmut Lohner) auf Anraten von Derrick einquartiert, auf dass sich der von schweren Neurosen durchsetzte Balke irgendwann entweder verrät, oder aber durch die Präsenz der Zwillingsschwester seiner „Ex-Gattin" in die Enge getrieben die Maske des „Unschuldsengels" ablegen mag. Es ist freilich klar, dass dieses von Derrick initiierte Vorgehen zum Erfolg führt, und Balke buchstäblich einen Nervenzusammenbruch erleidet, da bei ihm schnell der Punkt eintritt, an dem er sich in einem Käfig aus Schuldgefühlen und inneren Zerrißenheiten gefangen sieht, und als letzten Ausweg die Ermordung von „Johanna" beschließt, die jedoch mißlingen muß.
Helga Anders verkörpert die Rolle der Roswitha Meinecke mit durchtriebener Schläue. Sie gibt ihr jene Eigenheit, durch die nachvollziehbar wird, warum sich ihr Geliebter dazu durchringen konnte, den Mord an seiner Ehegattin nicht nur zu planen, sondern auch zu begehen.
Sie ist kein „Kind von Traurigkeit"; erweist sich jedoch auch nicht als irgendein Mädel, das die Abhängigkeit eines Mannes zu ihr voll und ganz genießt, und daraus ihre Lebensplanung konstruiert. Nein, es ist viel mehr, das in dieser Figur verborgen sein mag! Fräulein Meinecke ist ein stark unterkühltes Fräulein, und liebt es, sich in Szene zu setzen, wodurch sie eine zwiespältige Persönlichkeit darstellt, die von Balke unmöglich durchschaut werden kann. Balke ist nicht mehr als ein „dummer Junge", der sich wie eine Marionette von Roswitha durch das Leben ziehen lässt, und enttarnt sich letztlich gar als seiner Geliebten total unterlegen. Er ist sowohl psychisch als auch geistig nicht in der Lage, einen geraden Gedanken zu formulieren, und Helga Anders gibt der „Gegenspielerin" seiner Gattin so viel Format, dass sein Scheitern vorprogrammiert ist. Seine Unfähigkeit, weder seiner Frau noch seiner Geliebten Paroli bieten zu können, ist gerade jener Punkt, an dem die Rolle von Helga Anders ansetzt. Roswitha Meinecke bedarf keines Geliebten, der sie in irgendeiner Form unterstützt. Sie benutzt ihn nicht, weil sie ihm überlegen ist, sondern weil sie einen Plan erfüllen will, der ihr endlich jene Unabhängigkeit von ihren Eltern ermöglichen kann, mit denen sie in einer kleinen Wohnung eingepfercht ihr Leben zu teilen gezwungen ist.
Die Eigenheiten der Helga Anders als Schauspielerin zeigen sich in diesem Krimi auf erstaunliche Weise. Sie ist nie auf irgendeinen Punkt reduzierbar, und ist ein verwirrender „Engel", dessen Flügel sich an der harmlosen Umwelt entzünden können. Sie signalisiert einen Hilferuf, den niemand hört. Ihre Ansprüche an das Leben sind zu groß; überall will sie brillieren, und insbesondere die Männer können da unmöglich dagegen halten. Was sich in „Johanna" ansatzweise ausformt, wird sich weiter entwickeln, und am Ende die Frage aufwerfen, wieso die Schauspielerin Helga Anders nicht anders konnte, als ihren Figuren das Antlitz eines unerlösten Engels zu verleihen, der auf viel tiefgründigere Weise zu scheitern verurteilt ist, als dies der dem Alkohol zugeneigte Alfred Balke am Ende von „Johanna" mit Pauken und Trompeten tut.
Der zweite Auftritt von Helga Anders in der Serie „Derrick" ließ dann relativ lange auf sich warten. Es war im Jahre 1977 in der 31. Folge namens „Hals in der Schlinge". Heli und Ingo, ein Geschwisterpaar, hat sich herrlich amüsiert, und blödelt noch ein bisschen mit Freunden vor dem Elternhaus herum, ehe sie bemerken, dass die Haustür nur angelehnt ist. Heli macht sich sofort Sorgen um ihren Vater, und sämtliche Räume des Hauses werden gründlich nach ihm durchsucht.
Schließlich machen die Geschwister eine schreckliche Entdeckung: Ihr Vater hängt tot an einem Strick auf dem Dachboden. Laut Obduktionsbefund soll sich der Vater von Heli und Ingo selbst umgebracht haben; aber Heli hegt starke Zweifel, und stürzt wiederum Stefan Derrick fast in Verzweiflung, da sie immer wieder beteuert, dass sie nicht an den Selbstmord ihres Vaters glaube. Währenddessen macht sich ihr Bruder im Chefsessel des Vaters breit.
Ganz ohne Zweifel handelt es sich bei dieser Episode um eines der Glanzstücke der Serie „Derrick". Helga Anders verleiht der Figur Heli sehr viel Charisma. Sie ist aufbrausend, und voller Energie. Eine junge Frau, die ganz genau weiß, dass etwas nicht stimmt. Die Zusammenkünfte mit Derrick führen dazu, dass der Oberinspektor an der Selbstmordtheorie zu zweifeln beginnt, was letztlich auch zur Aufklärung des Mordes führt.
Bemerkenswert ist die Überlegenheit, die Heli über ihren Bruder ausübt. Er (gespielt von Willy Kowalj) lässt sich rasch in den Chefsessel fallen, und übernimmt die Firma seines Vaters. Mit großer Naivität wird er in die Geschäfte des Ermordeten eingeweiht, und vermag es nicht, die grotesken Gestalten zu durchschauen, welche für seinen Vater gearbeitet haben. Vielmehr findet er seine „neue" Situation angenehm, und genießt die Vorzüge eines „Chefs". Ganz anders seine Schwester, die einerseits nichts mit dem Geschäft zu tun haben will, und andererseits ein immer größere werdendes Mißtrauen gegen die Menschen hegt, welche eventuell in die Ermordung ihres Vaters involviert sein könnten. Sie stattet Derrick von jeder kleinen Beobachtung Bericht ab, die für die Aufklärung des Falles von Bedeutung sein könnte.
Über ein „seltsames Paar" (den attraktiven Part spielt hierbei die Ex-Frau von Tony Curtis, Christine Kaufmann) geraten die Kriminalisten mit einem zwielichtigen Bauunternehmer in Kontakt (großartig gespielt von Günter Strack). Es wird sich schon bald herausstellen, dass die Geschäfte dieses Mannes schlecht stehen, und er nur durch eine Transaktion gerettet werden könnte, die direkt in Zusammenhang mit der Firma des ermordeten Vaters von Heli und Ingo steht.
Helga Anders reichert ihre Rolle mit soviel kühlem Charme und abgründiger Schläue an, dass Derrick ihr auf Dauer nicht widerstehen kann, und seine Folgen aus ihren Zweifeln zieht. Sie trägt sehr viel zu der besonderen Qualität dieser „Derrick"-Episode bei.
Die dritte Rolle für „Derrick" ist wohl die kürzeste, welche für sie im Rahmen dieser Serie geschrieben worden ist. Sie spielt eine junge Frau namens Vera Höfer, deren Arbeitskollegin einem Mord zum Opfer gefallen ist. In diesem Bezug wird Helga Anders verhört. Es handelt sich um die 41. Folge der Serie namens „Tod eines Fans".
Höchst interessant an dieser Folge ist, dass Tommi Pieper Harry Dugan spielt; einen erfolgreichen Sänger, der nach einem Konzert in seinem Hotelzimmer im Bett eine fast nackte Mädchenleiche vorfindet, und überstürzt darauf reagiert: Er versucht, das Mädchen „wegzuschaffen", um den Verdacht von sich abzulenken. Dabei wird er jedoch von einem Mann beobachtet. Tommi Pieper agierte später ja als kongeniale Stimme von ALF. Nunmehr kann sich der Zuschauer von seinen schauspielerischen Qualitäten überzeugen. Und Tommi Pieper spielt seine Rolle mit den berühmten Ecken und Kanten versetzt, die nahezu jedem zu Berühmtheit gelangten Sänger anhaftet. Er beteuert seine Unschuld, was ihm einen Aufenthalt im Gefängnis nicht erspart.
Der Fall ist insgesamt recht spannend inszeniert, da nahezu nichts auf den späteren Mörder hindeutet. Alles spitzt sich auf ein Finale furioso zu, und am Ende gibt´s freilich ein Happy End für Harry. Die „Mitarbeiter" des Sängers machen sich durch Ungereimtheiten zusätzlich verdächtig. Einer hatte mit Harry Dugan ein „Hühnchen zu rupfen", und deckte den Täter, wie sich am Ende herausstellt.
Nicht verschwiegen werden soll, dass Tommi Pieper den Titelsong selbst gesungen hat, und dies gar nicht mal schlecht. Es handelt sich um „Born to be wild". Insgesamt macht die Folge einen eher durchschnittlichen Eindruck. Zum Teil werden Klischees bedient, deren Wahrheitsgehalt nur die wenigsten Zuschauer interessieren mag. Die „Hörigkeit" von so manchem Fan ist allerdings ein ernsthafter Hintergrund der Story. Mädchen, die rasend werden, wenn sie ihre „Idole" auf der Bühne singen hören. Die Rolle von Helga Anders ist immerhin so angelegt, dass sie so etwas wie einen eindeutigen Kontrapunkt zu diesen absurden Anwandlungen von weiblichen Fans darstellt.
In dieser Folge kann Helga Anders ihre schauspielerischen Fähigkeiten nur andeuten. Sie vermag in den kleinen Szenen zu überzeugen; ihre Bedeutung für den Krimi ist jedoch leider zu gering, um dem noch etwas hinzufügen zu können.
Die vierte Rolle, welche Helga Anders in der Reihe „Derrick" spielte, war eine titelgebende.
„Kaffee mit Beate" (1978) mag mit Fug und Recht als eine der besten Folgen dieser Serie gelten. Es gibt nur wenige „Derrick"-Episoden, die derart perfekt inszeniert, und mit wunderbaren SchauspielerInnen besetzt sind.
Von Anfang an ist Höchstspannung garantiert. Beate soll in einem Theater vorsprechen, um vielleicht mit viel Glück ihr erstes Engagement zu bekommen. Ihre Freundin Helga (gespielt von Johanna Elbauer) wartet mit ihr darauf, aufgerufen zu werden. Kurz, bevor Helga ihren Auftritt haben wird, bietet Beate der immer nervöser werdenden Freundin Weinbrandbohnen an. Das nervöse Mädchen steckt sich schnell eine Praline in den Mund, und wird dann bereits aufgerufen. Doch nach nur wenigen Schritten fällt die angehende Schauspielerin zu Boden. Der zunächst vermutete Schwächeanfall entpuppt sich bald schon als tödliche Vergiftung.
Derrick ist anfangs skeptisch, was die Unschuld von Beate betrifft. Sie erzählt davon, dass sie eine Tüte Pralinen in ihrem Zimmer vorfand; jedoch nicht wisse, wer ihr diese Pralinen zugesteckt habe. Beate lebt in einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft, und ist sich sicher, dass der Anschlag ihr gegolten habe.
In diesem Krimi ist die Präsenz von Helga Anders buchstäblich spürbar. Sie spielt mit soviel Rafinesse, und nymphomanischer Authentizität, dass es ein Genuß ist, der Geschichte zu folgen. Eigentlich ist es schade, dass diese Folge schon nach einer Stunde zu Ende sein mußte. Harry Klein ist es, der herausfinden soll, wer mit dem Anschlag auf Beate zu tun haben könnte. Zu diesem Zweck schleust er sich in die Wohngemeinschaft ein, und lernt die dort lebenden Menschen kennen. Beate soll so tun, als ob sie die Pralinen nicht angerührt habe, und gibt sie dorthin zurück, wo sie sie vorgefunden hat. Diese geschickte Vorgehensweise wird am Ende den Täter entlarven.
Kernpunkt dieses Krimis ist ohne Zweifel die charismatische Persönlichkeit von Beate, welche mit ihrem mädchenhaften Charme sämtliche männliche Bewohner der Gemeinschaft in sexuelle Abenteuer zu verstricken vermochte. Auch Harry Klein wird ganz schön heiß. Es fällt ihm schwer, dem hübschen Fräulein zu widerstehen.
Es kommt zu einem Wiedersehen zwischen Helga Anders, und Tilly Lauenstein, die Frau Wollak spielt. 1965 waren die beiden fixer Bestandteil der ausgezeichneten Familienserie „Forellenhof" gewesen. Und das Zusammenspiel verläuft wieder mal glänzend. Mit Peter Pasetti, Klaus Herm, Agnes Fink und Christian Quadflieg sind auch die anderen beteiligten Schauspieler eine Garantie dafür, dass „Kaffee mit Beate" voll und ganz zu überzeugen vermag.
Was diesen „Derrick" betrifft, gibt es neben allen anderen positiven Faktoren noch eine außerordentliche Note, die sich von den meisten anderen Episoden abhebt. Es ist nicht bloß so, dass Helga Anders eine angehende Schauspielerin spielt; mehr noch hat die Geschichte die Qualität eines herrlich inszenierten Kammerspiels, und würde sich in diesem Sinne bestens für eine Aufführung im Theater eignen. Auch die szenischen Übergänge sind derartig angelegt, dass sie in einem Theater Furore machen könnten.
Getragen wird dieser „Derrick" von einer Helga Anders, die hier vielleicht ihre größte schauspielerische Leistung überhaupt ablieferte. Zwar hat sie auch in internationalen Produktionen mitgespielt, und nie den Eindruck gemacht, als hätte sie eine Durchschnittsleistung abgeliefert. Der Grund für die erstaunliche Leistung von Helga Anders in diesem „Derrick" mag aber darin liegen, dass sie den kühlen Charme einer Mädchen-Frau verkörpert, für deren Selbstvertrauen nymphomanische Charakterzüge intensiv ausgeprägt sind. Trotz dieses Wissens über die Figur Beate formt sich jene Traurigkeit aus, die einem unerlösten Engel eigen ist. Was in Johanna noch zu mädchenhaft war, gelangt zu einer authentischen Darstellung. Helga Anders betritt die Bühne, und „verliert" sich in den Armen der schrägen Vögel, welche den männlichen Anteil der Wohngemeinschaft bilden. Keiner der Herren verfügt über jene innere Ausgeglichenheit, um mit Beate eine längere Beziehung bestreiten zu können oder zu wollen. Sie scheitern an ihrer Geradlinigkeit, und erkennen nicht, dass Beate eigentlich nur „erlöst" werden möchte. Sie will nicht von einer stinkenden zu einer übelriechenden Blume fliegen, und von dort weiter bis zum St. Nimmerleinstag. Der „Kaffee mit Beate" ist ein Synonym für die Versuchung, einer Mädchen-Frau erliegen zu wollen, deren Hoffnung es ist, die große Liebe zu entdecken. Es sind sehr viele Widersprüche und charakterliche Feinheiten in der Figur von Beate existent. Womöglich manifestiert sich darin das dramatische Leben, welches Helga Anders immer wieder aus den Gleisen geraten ließ, und schließlich schrecklich endete.
Harry vermag mit Beate auf eine Weise zu kommunizieren, zu der sich sämtliche andere männliche Vertreter der Wohngemeinschaft nie aufraffen konnten. Beate scheiterte nach der Reihe an Männern, die nie die tiefgründige, gespaltene Persönlichkeit in ihr sahen. Die Aufklärung des Mordes an einem „falschen" Opfer ist letztlich nicht überraschend. Eine herzlose, nur auf der Sachebene zu kommunizieren fähige „Herrenrunde", hat das Drama ermöglicht, das den Zuschauer von Anfang bis Ende in Spannung hält. Für Helga Anders könnte es die Rolle ihres Lebens gewesen sein...
Es sollte weitere zwei Jahre bis zum fünften Auftritt von Helga Anders in einem „Derrick" dauern. „Auf einem Gutshof" wurde erstmals am 1. August 1980 ausgestrahlt, und zeigt Helga Anders in einer der wichtigeren Hauptrollen. Ein schweres Gewitter tobt draußen, während Marlene (Ellen Schwiers) und Waltraud Schulte (Helga Anders) gemütlich im Wohnzimmer des Gutes Heimann sitzen. Marlene Schulte glaubt ein Geräusch gehört zu haben, und geht ans Fenster. Nur einen Augenblick später fällt ein Schuß, der die junge Frau glücklicherweise verfehlt. Marlene glaubt mit Sicherheit das Gesicht ihres Mannes erkannt zu haben, der auf sie geschossen habe. Dies teilt sie unter Tränen ihrer Schwester mit.
Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass Richard Schulte (Horst Buchholz) erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden war, was die Verdachtsmomente gegen ihn zusätzlich erhärten. Doch schließlich schaffen es Derrick und Klein allen Unkenrufen zum Trotz, eine „perfekte" Täuschung aufzulösen, und den wahren Täter zu stellen.
Für Helga Anders war die Rolle der Waltraud Heimann so angelegt, dass sie den Widerpart ihrer „Filmschwester" zu spielen hatte. Zwar verstehen sich die beiden Schwestern gut; haben allerdings verschiedene Meinungen, wenn es um Männer geht. Waltraud hegt gewisse Vorurteile gegen den Mann ihrer Schwester, die zum Teil nicht unberechtigt sind. Insgesamt ist diese Rolle fast als „bieder" anzusehen. Nach ihrer Glanzrolle in „Kaffee mit Beate" war aber natürlich auch keine Steigerung zu erwarten. Für einen Krimi ist die Geschichte jedenfalls ganz ordentlich; insbesondere, weil kein „Strickmuster" zu erkennen ist, das es dem Zuschauer leicht macht, den Täter zu enttarnen. Das Helga Anders schauspielerisch viel mehr drauf hatte, als sie in diesem Krimi zeigen konnte, versteht sich von selbst.
Der vorletzte „Derrick", in dem Helga Anders mitwirkte, sollte sich als schwächster Fall herausstellen. Wenngleich dies wohl nicht jeder „Derrick"-Fan behaupten mag, kann auch ganz objektiv gesehen diese Episode maximal als durchschnittlich bezeichnet werden. Und das hat nicht damit zu tun, dass Helga Anders nur eine kleine Rolle zu erfüllen hatte.
„Der Kanal", die 79. Folge der Serie, ist zu augenscheinlich ein kleines Eifersuchtsdrama, dessen Auflösung dennoch ein wenig überrascht. Herbert Junker (Bernd Herzsprung) hat eine kleine Liebschaft mit Elisabeth Röder (Claudia Rieschel). Der Seitensprung der beiden Verheirateten wiederholt sich regelmäßig, und bislang war nie auch nur ein Verdachtsmoment aufgetaucht. Aber irgendwer muß den beiden auf die Schliche gekommen sein...
Die Geschichte plätschert so dahin („Der Kanal" ist diesbezüglich ein ausgezeichneter Titel), und die Figuren sind zu eindimensional, um Glaubwürdigkeit auszustrahlen. Selbst ein Ensemble aus guten Schauspielern (neben den Erwähnten auch noch Max Griesser und Monika Baumgartner) kann die Harmlosigkeit der Ereignisse nicht kaschieren. Helga Anders Auftritt ist kurz, und für den Fall höchstens indirekt von Belang. Eine gewisse Komik ist zwar aus manchen Szenen ersichtlich; allerdings ohne diese Unfreiwilligkeit der späteren Fälle, in denen oft nur diese Komponente die Episode „retten" konnte.
Nicht alles, was „Derrick" betrifft, muß auf die Goldwaage gelegt werden. „Der Kanal" ist ein Beleg dafür, dass auch in den frühen 80´ern einige Fälle an der Unterdurchschnittlichkeit schrammten, oder diese sogar voll und ganz erfüllten.
Die letzte „Derrick"-Episode, in der Helga Anders mitwirkte, sollte sich als eine der besten der Serie erweisen. Es handelt sich um Folge 121, „Der Klassenbeste"; erstmals ausgestrahlt am 23.11.1984.
Das besondere Image aus früheren Zeiten haftet Helga nicht mehr an. Es ist unfassbar, zu wissen, dass die Schauspielerin nur zwei Jahre später nicht mehr am Leben sein wird.
Sie wirkt in ihrer Darstellung eines „Mädchens" ein wenig zerfahren, und bildet einen Kontrapunkt zu der nymphomanisch anmutenden Anne Bennent. Verrückterweise lautet der Name des Hauptprotagonisten Dr. Anders (gespielt von Ralf Schermuly). Er nimmt nach einem Klassentreffen zwei Autostopperinnen mit (Anne Bennent und Helga Anders), und ist völlig von der Rolle, als er einen Mann in betrunkenem Zustand auf offener Straße überfährt. Er vermutet, dass der Mann tot sei, was sich später als falsch erweist, und begeht Fahrerflucht. Seine neuen „Freundinnen" nutzen die Extremsituation aus, in der er sich befindet, und quartieren sich in seiner Wohnung ein, und genießen gratis Kost und Logis.
Die hervorragende Qualität der Folge hängt zum Einen von den bestechenden schauspielerischen Leistungen der drei HauptdarstellerInnen ab; andererseits ist die Story sehr spannend inszeniert. Dr. Anders fühlt sich immer mehr in die Enge getrieben, da ihm sowohl seine „Freundinnen" als auch die Kriminalpolizei in Gestalt von Stefan und Harry zusetzen.
Er kommt mit zwielichtigen Gestalten in Kontakt. Eine davon bringt seinen vom Unfall leicht demolierten PKW wieder in Ordnung. Sein innerer Konflikt wächst von Minute zu Minute.
Schließlich kann er nicht anders, und beschließt, seine zwei Mitwisserinnen umzubringen, was jedoch Stefan und Harry zu verhindern wissen.
Es ist im Laufe dieser Folge immer wieder von „Mädchen" die Rede. Auf Anne Bennent traf dies auch tatsächlich zu. Sie war damals knappe 21 Jahre alt. Helga Anders aber zählte schon reife 36 Jahre, und somit mag diese Bezeichnung für sie unzutreffend gewesen sein.
Ungeachtet dieser Absurdität lebt die Folge vom perfekten Zusammenspiel von Anne Bennent und Helga Anders. Helga bringt den „Klassenbesten" regelmäßig zur Weißglut, und überzeugt durch ihre lebendige Darstellung einer Frau, die genau weiß, was sie will. Anne Bennent bringt die Trias wunderbar in Balance, indem sie Dr. Anders mühelos um den Finger wickelt.
Das spannende Finale ist zwar vorhersehbar; allerdings auch notwendig.
Im übrigen kommt die erotische Komponente in dieser Folge nicht zu kurz. Sowohl Anne als auch Helga ließen sich diesbezüglich nicht lumpen...
Summa summarum können die Auftritte von Helga Anders in insgesamt sieben „Derrick"-Folgen im Sinne der Serie absolut als bereichernd angesehen werden. Wenn mal vom „Kanal" abgesehen wird, wo ihr Auftritt nur wenig Bedeutung hat, möchte ich abschließend doch feststellen, dass Helga in drei unvergesslichen, und ausgezeichneten Episoden mitgewirkt hat:
In „Johanna", „Kaffee mit Beate" und „Der Klassenbeste". Und wie schon mal geschrieben: Die Darstellung der Beate in „Kaffee mit Beate" war wohl die Rolle ihres Lebens. Es fällt mir nicht schwer zuzugeben, dass es sich bei dieser Episode um meine absolute Favoritin der Serie handelt.
© Jürgen Heimlich